Eine Grenzerfahrung – Race Across Austria Gravel Ultra 300

Von Bernhard Kram

 

Also gut. Irgendwann im Frühjahr dachte ich mir: „Warum nicht mal 310 Kilometer mit dem Rad fahren? Am besten soviel Offroad wie nur möglich, mit 5000 Höhenmetern und bitte – ganz wichtig – ohne fremde Hilfe.“ Gesagt, getan. Ich hab mich fürs Race Across Austria Gravel Ultra 300 angemeldet. Klingt verrückt? Ist es auch!

 

Das Rennen ist self-supported, heißt: keiner hilft dir. Kein Begleitfahrzeug, kein Streichelzoo, keine warmen Nudeln am Streckenrand. Du navigierst selbst, versorgst dich selbst, leidest selbst. Alles, was man braucht, muss man selbst mitschleppen oder unterwegs auftreiben – Imbisse am Straßenrand, der Dorfbrunnen oder die Wasserleitung am Friedhof werden zu deinen besten Freunden.

Weil’s nunmal ein Rennen ist, wurden keine großen Shoppingtouren eingelegt – der Großteil der Verpflegung war entweder mit dabei oder im offiziellen Depot in Litschau deponiert.
In Summe hab ich rund 7 Flaschen Kohlenhydratgetränk, 12 Gels, 8 Riegel und ein Sackerl Gummibären verputzt. Hat’s geschmeckt? Na ja. Hat’s gewirkt? Ja.

 

Gestartet wird so, dass man auch ganz sicher eine Nachtfahrt mitnimmt. Romantik? Nicht ganz. Aber dafür leuchtende Tieraugen im Wald, das gelegentliche Knacken im Gebüsch und die philosophische Frage: „Warum genau tu ich mir das jetzt an?“

 

Die Strecke: Die hat’s in sich: Von Linz geht’s direkt rauf ins Mühlviertel  – danach typisch Mühl- und Waldviertel bergauf-bergab. Weiter über die tschechische Grenze, durch einsame Wälder, über Feldwege, wo einem mehr Rehe als Menschen begegnen. Nach gut 170 Kilometern erreicht man den Wendepunkt in Litschau – eh schon ziemlich weit draußen. Und dann das Ganze retour: über Freistadt zurück nach Linz. Wer glaubt, der Rückweg sei leichter – Spoiler: ist er nicht.

 

Ich war nicht allein unterwegs – zumindest am Start. Michael Stelzl vom URC Mariazell war auch dabei. Und er war richtig flott unterwegs. Während ich mich noch über meinen ersten Müsliriegel freute, war er wahrscheinlich schon im tschechischen Niemandsland und hat mit einem Reh diskutiert, ob’s links oder rechts weitergeht.

Bei mir lief’s insgesamt aber auch ganz gut – bis mein Rücklicht plötzlich weg war. Einfach verschwunden, wahrscheinlich auf einem technischen Schotterabschnitt davongeschossen. Kein Problem, dachte ich, ich hab ja ein Ersatzrücklicht. Hat dann auch gehalten, bis es kurz nach Mitternacht komplett leer war.

 

Also: Improvisation irgendwo im Nirgendwo, aus einem Stück roter Reflexfolie, meinem Reserve-Frontlicht und Klebeband hab ich mir ein Rücklicht gebastelt. Nicht hübsch, aber hell genug – und vor allem: halbwegs regelkonform.

 

Am Ende kam ich nach 16 Stunden und 52 Minuten, kurz nach 2:00 in der Früh, ins Ziel. Erledigt, aber glücklich. Platz 11 gesamt, 9. in meiner Altersklasse. Michael war da natürlich längst geduscht und wahrscheinlich schon im Tiefschlaf: 14 Stunden und 5 Minuten, 3. gesamt, 2. in der Altersklasse. Richtig stark!

Das Schöne an solchen Rennen? Man lernt nicht nur seine Grenzen kennen, sondern auch, wie gut sich kaltes Cola bei einem Campingplatz nach 8 Stunden im Sattel anfühlen kann. Und dass es manchmal reicht, einfach weiterzutreten – selbst wenn alles in dir sagt: „Setz dich auf die nächste Bank und iss einen Eis.“

Würde ich’s wieder machen? Nie wieder! Vielleicht! Wahrscheinlich! Na klar!

Bis dahin: Ride on – und vergesst die Stirnlampe nicht.

Screenshot Strava
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